Rentenrecht

Haftungs- und Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers für sogenannte „gezillmerte“ Altersvorsorgeverträge, LArbG München, Urteil vom 15.03.2007

Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung zur Altersvorsorge ist verfassungsgemäß – Haftung des Arbeitsgebers, BAG Urteil vom 12.06.2007

Rentenansprüche bei Wohnsitzänderung innerhalb der Europäischen Union, EuGH, Urteil vom 18.12.2007






Haftungs- und Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers für sogenannte „gezillmerte“ Altersvorsorgeverträge, LArbG München, Urteil vom 15.03.2007

AZ 4 Sa 1152/06

In seiner Entscheidung vom 15.03.2007 hat das Landesarbeitsgericht München - AZ 4 Sa 1152/06 – festgestellt, dass die sogenannte „Zillmerung“ von Verträgen, mit denen eine Versorgungszusage im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage einer Entgeltumwandlungsvereinbarung nach dem BetrAVG abgesichert wird, unzulässig ist.

Bietet der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Vorsorgeverträge in Form von Direktversicherungen mit entsprechend gezillmerten Tarifen an, macht er sich schadensersatzpflichtig. Er hat dem Arbeitnehmer den ihm durch den Abschluss gezillmerter betrieblicher Vorsorgeverträge entstehenden Schaden zu ersetzen.

Damit hat das Landesarbeitsgericht München die in der neuen Rechtsprechung bereits entwickelte Pflicht der Arbeitgeber, seine Mitarbeiter ausreichend über das Recht auf Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung als Möglichkeit der Altersvorsorge aufzuklären, dahingehend erweitert, derartige gezillmerte Verträge nicht anzubieten.
Aufgrund verschiedener Faktoren, wie die demografische Entwicklung, längere Lebensdauer der Bevölkerung, hohe Arbeitslosigkeit etc. steht bereits seit längerer Zeit klar, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr in der Lage sein wird, die notwendigen Leistungen zur Erhaltung des Rentenniveaus aufzubringen. Die Folge sind heute schon erkennbare Leistungskürzungen und damit die wachsende Gefahr der Altersarmut im Rentenalter.

Die Notwendigkeit für jeden, bereits jetzt ausreichende Maßnahmen zur Sicherung seiner Altersversorgung zu ergreifen, lässt die Bedeutung privater und betrieblicher Altersvorsorge als weitere Säulen der Rentenversicherung in Deutschland weiter wachsen. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt und fördert auf verschiedene Weise entsprechende Vorsorgemaßnahmen.

Eine Möglichkeit ist die Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung z.B. in Form von Direktversicherungsverträgen, auf die Arbeitnehmer nach § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) gegenüber ihrem Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch haben.
In zahlreichen Entscheidungen der neuesten Rechtsprechung (z.B. des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. Juni 2007, AZ: 3 AZR 14/06) haben die Gerichte darüber hinaus festgestellt, dass Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend über das Recht zur Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung hinweisen bzw. aufklären, zum Schadensersatz gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet sind. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Ausübung der Informationspflicht gestanden hätte.
§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG schreibt jedoch gesetzlich vor, dass künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) müssen, um als betriebliche Altersversorgung in Betracht zu kommen.

Ausgangspunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 15.03.2007 war der Umstand, dass – was bei zahlreichen Vorsorgeverträgen der betrieblichen Altersvorsorge ebenfalls der Fall sein dürfte – der vom Arbeitnehmer abgeschlossene Vertrag versteckte Abschlusskosten enthält, die die Versicherungsleistung schmälerten. Der gesetzlich vorgeschriebene wertgleiche Einsatz der Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersvorsorge wurde nicht erfüllt, da der Arbeitnehmer die ihm zustehende Vergütung nur vermindert um die anteiligen Abschlusskosten des Vertrages einsetzen konnte.

Die Übervorteilung des Arbeitnehmers durch versteckte Abschlusskosten, wie Provisionen, Risikoprüfungs- und Policierungskosten, die der Versicherer von der Versicherungsprämie abzieht, wird als „Zillmerung“(benannt nach dem Mathematiker August Zillmer) bezeichnet.
Da die erforderliche Information hierüber durch den Arbeitgeber regelmäßig nicht erfolgt, weil er überwiegend mit der versicherungstechnischen Abwicklung nichts zu tun hat, weiß der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht, dass mit den eingezahlten Beiträgen zunächst die Versicherungs- und Abschlusskosten, sämtliche Vertriebs- und Akquisitionskosten, vollständig getilgt werden, bevor die Beiträge erst danach zum Aufbau eines Deckungskapitals für die Altersversorgung eingesetzt werden.

Besonders nachteilig wirken sich „gezillmerte“ Verträge für Arbeitnehmer aus, die (häufig) ihren Arbeitsplatz wechseln, weil bei Nichterreichen der Unverfallbarkeit (nach 5 Jahren) die geleisteten Zahlungen ersatzlos verloren gehen.
Ferner wirken sich „gezillmerte“ Verträge nachteilig bei der Berechnung des Rückkaufwertes aus. In der Regel weisen derartige Verträge einen deutlich niedrigeren Rückkaufswert gegenüber ungezillmerten Verträgen auf, da die Beitragszahlungen gerade in den ersten Jahren im wesentlichen für die Tilgung der Abschlusskosten verbraucht werden und somit nicht für den Vertragswert zur Verfügung stehen. In Fall einer vorzeitigen Auflösung der Versicherung entspricht der Rückkaufswert der Versicherung in den ersten 10 Jahren nicht einmal dem Wert der geleisteten Beiträge. Im ersten Jahr ist sogar oftmals kein Rückkaufswert vorhanden.

Mit seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht München die bisherige Rechtsprechung zur Unzulässigkeit „gezillmerten“ Verträgen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge bestätigt (s. auch ArbG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2005, 19 Ca 3152/04). Vereinbarungen, die dem Arbeitnehmer die Tragung der Abschlusskosten auferlegen sind daher nichtig und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer vorab ausdrücklich über die Verrechnung der Abschlusskosten mit seinen ersten Beiträgen aufgeklärt wurde.

Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung zur Altersvorsorge ist verfassungsgemäß – Haftung des Arbeitsgebers, BAG Urteil vom 12.06.2007

AZ: 3 AZR 14/06

In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.06.2007 hat das Gericht festsgestellt, dass der sich aus § 1 a Betriebsrentengesetz ergebende Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Umwandlung künftiger Entgeltansprüche bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung für seine betriebliche Altersvorsorge (Entgeltumwandlung) verfassungskonform ist.

Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber verlangt, monatlich 50,00 EUR ihrer laufenden Lohnzahlung in eine betriebliche Altersvorsorge umzuwandeln.
Die Einwendungen des Arbeitgebers, die Regelung des § 1 a Betriebsrentengesetz verstoße gegen seine verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte der Berufsfreiheit und des Eigentums, wies das BAG zurück.
Es führte u.a. aus, dass Aufwand und Belastung für den Arbeitgeber aufgrund der durch den Gesetzgeber bereits erfolgten rechtlichen Ausgestaltung des Entgeltumwandlungsanspruchs letztlich gering sei. Dem Arbeitgeber obliege das Entscheidungsrecht über die Ausgestaltung der Altersversorgung und die Auswahl eines geeigneten versicherungsförmigen Versorgungsträgers. Aufgrund des Auswahlrechts des Arbeitgebers sei auch das Risiko der Einstandspflicht für den Versicherer gering, da er die Möglichkeit hat, einen finanzstarken Versicherer auszuwählen. Schließlich sei der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Direktversicherung beschränkt.

Das BAG hat darüber hinaus die Haftung des Arbeitgebers bestätigt und diesen verurteilt, rückwirkend mit der Arbeitnehmerin einen entsprechenden Vertrag zur betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung abzuschließen.

Rentenansprüche bei Wohnsitzänderung innerhalb der Europäischen Union, EuGH, Urteil vom 18.12.2007

AZ: C- 396/05, C-419/05 und C-450/05 (verbundene Rechtssache)


In seiner Vorlageentscheidung vom 18.12.2007 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber zu befinden, inwieweit die Kürzung in Deutschland erlangter Rentenansprüche durch die Rentenversicherung rechtmäßig ist, wenn der Anspruchsinhaber seinen Wohnsitz von Deutschland in einen anderen Mietgliedstaat der Europäischen Union verlagert.

Grundlage der Entscheidungen waren erhebliche Kürzungen von Rentenansprüchen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem die Rentenanspruchsinhaber aus Deutschland in ein anderes Land der Europäischen Union gezogen sind. Zur Begründung bezog sich die Rentenversicherung auf die sogenannte Wohnortklausel der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates der Europäischen Union vom 14.06.1971. Diese Verordnung koordiniert die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit, um die Sozialversicherungsansprüche der Personen zu schützen, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern.

In der genannten Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass die Wohnortklausel eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union darstellt. Dieser Eingriff in das Freizügigkeitsrecht durch Kürzung der Rentenansprüche bei Wohnsitzwechsel innerhalb der Europäischen Union sei jedoch nicht zu rechtfertigen.

Gleichzeitig entschied der EuGH, dass der mit der Wohnortklausel begründete Einbehalt von Auszahlungsansprüchen eines Österreichers mit Wohnsitz in Österreich, der in Deutschland als Vertriebener anerkannt ist, gegen das Recht auf Freizügigkeit verstoße.